Blackwell Rückschau: Blackwell Convergence & Blackwell Deception

Nach dem Gang in die 1970’er in Blackwell Unbound kommen wir mit Blackwell Convergence und Blackwell Deception wieder in der Gegenwart an und auch wieder zu Rosangela. Nachdem mich Wadjet Eye Games schon mit Unbound umgeworfen hat, macht der Indie-Entwickler auch mit den nächsten beiden Titeln wieder alles richtig. Und vor allem vieles wieder besser.
Ein interessanter Effekt, den ich beim Spielen der ersten beiden Titel gar nicht bemerkt habe und der mir erst beim Spielen von Convergence bewusst wurde, ist die Akzeptanz, die man für den Stil und für den technischen Rückschritt entwickelt. Habe ich vor einer Woche noch über die hübschen Hintergründe geschrieben, fällt mir mit der deutlich verbesserten, weil detaillierteren Grafik von Blackwell Convergence erst auf, dass die ersten beiden Teile stellenweise doch etwas nackt aussahen. Und obwohl sich weder Auflösung noch Stil geändert hatten, musste ich mich erstmal daran gewöhnen. Doch nach kurzer Zeit verlor ich daran auch keinen Gedanken mehr und befand die neuen Hintergründe und Charakter-Sprites als deutlich besser. Man könnte sagen, dass man nichts vermisst, was man nicht erwartet.
Etwas enttäuschend ist, dass Convergence die Notiz-Mechanik, dich ich zuvor so gelobt und geliebt hatte, wieder fallen lässt und die Notizen lediglich als Dialogoptionen und Erinnerungsstütze für den Spieler integriert. Allerdings befand auch Wadjet Eye Games diese Änderung als zu einschneidend, sodass Blackwell Deception schon wieder auf die Kombination von Notizen setzt, um die Interaktion mit Rosangela zu erhöhen.
Blackwell Convergence greift die Geschichte der Countess wieder auf. Nach einer einführenden Geisterlösung und einer durchzechten Galerieeröffnung offenbart sich unserem Team ein neuer Todesfall. Mysteriöserweise scheinen dieser und auch ein Weiterer einer jungen Investitionsfirma geholfen haben, ihr investiertes Geld doppelt und dreifach wiederzubekommen. Dabei scheint die in Unbound ums Leben gekommene Countess auch wieder eine gewichtige Rolle mit zu spielen.
Convergence setzt damit die Countess-Saga weiter fort und mit jeder weiteren Storyenthüllung wird klar, dass Unbound und Convergence ursprünglich mal ein zusammenhängendes Spiel werden sollten. Zu gut spielen beide Geschichten miteinander, sodass Referenzen sowie die wiederkehrenden Charaktere aus dem zweiten Teil für das ein oder andere Aha-Erlebnis sorgen. Die Zweiteilung in zwei eigenständige Episoden machen diese Situationen darüber hinaus aber noch überraschender und die letztliche Aufklärung und die Einbindung realer Personen wie Joe Gould und Joseph Mitchell – die auch im realen Leben miteinander zu tun gehabt haben und deren Lebensgeschichte theoretisch genügend Platz für die Blackwell-Geschichte bieten – wirkt wie aus einem Guss und erschreckend logisch. Wie auch in den ersten beiden Teilen versteht Dave Gilbert eine kurze, aber intensive Geschichte mit intelligenten Dialogen zu erzählen.
Insbesondere die beiden Protagonisten Rosa und Joey finden immer mehr zusammen und bilden ein gleichermaßen schlagfertiges wie interessantes Duo. Dazu trägt vor allem Rosa bei, die sich mit ihrer Rolle mehr und mehr identifiziert und ihre eigenen Stärken findet. Ihre eigenen Gedanken, Ängste und Zweifel spricht sie dabei intelligent und natürlich aus, ohne aufgesetzt oder konstruiert zu wirken. Das sind klare Verdienste der Sprecherin Rebecca Whittaker sowie der Dialoge aus der Feder Dave Gilberts.
Den vorläufigen, geschichtlichen Höhepunkt erreicht die Blackwell-Serie dann mit Deception, welches die gesamte Saga mit einer nochmalig erhöhten emotionalen Tiefe ausstattet. Kurz gesagt: Es wird persönlich. Denn als ein ehemaliger Arbeitskollege Rosa um einen Gefallen bittet und sich dann auch noch als Geist präsentiert, scheint der persönliche Ehrgeiz der mittlerweile offiziell als spirituelle Beraterin auftretenden Ex-Reporterin entfacht zu sein. Und auch Joey wird durch die neuen Tode der stellenweise sehr junger Menschen, die scheinbar in Zusammenhang mit einer dubiosen Organisation stehen, tief getroffen. Vor allem das dramatische Ende, in dem beide Seiten des Duos ihre eigenen Prüfungen zu bestehen haben hat es in sich und macht Deception so zu einer Art „Das Imperium schlägt zurück“ der Serie. So kann ich mich noch genau daran erinnern, dass ich beim ersten Durchspielen gar nicht mehr auf den fünften Teil warten konnte. Auch wenn die Geschichte in sich abgeschlossen wirkt, bauen Wadjet Eye Games eine Erwartungshaltung auf, die vor allem der Entwicklung der Charaktere geschuldet ist. Mein persönliches Highlight: „I did not fall.“, ein eigentlich negatives Erlebnis, welches aber dennoch positiv ins Gesamtbild einfließt und alles, was darauf folgte. Brilliant!
Nachdem in den ersten drei Teilen vor allem Rosa jede Menge Hintergrundgeschichte bekam, wird im vierten Teil auch Joey greifbarer. Der ehrenwerte Charakter des Geistes kommt offensichtlicher heraus und durch die Entdeckung eines ehemaligen Geschäftspartners wird noch mal etwas in der Vergangenheit von Joey gewühlt.
Einen Schritt nach vorne hat auch das Rätseldesign gemacht. Waren die Aufgaben vor allem im ersten Teil der Adventzure-Serie stellenweise noch zu leicht, erscheinen einige Dialog- und Inventarrätsel diesmal komplexer. Insbesondere Blackwell Deception wartet mit einigen Kopfnüssen auf, auch wenn diese oftmals mit einigem Hin- und Herlaufen verbunden sind.
Etwas zwiespältig betrachte ich das Streamlining gewisser Elemente. Zwar ist die Integration des Internets und des Mailaccounts in das Spielgeschehen wunderbar gelöst – Insbesondere das Finale des dritten Teils macht davon aus geschichtlicher Sicht fantastisch gebrauch – und auch der Schritt hin zu einem mobilen Internetendgerät (HEXEREI! HEXEREI!) logisch und willkommen, doch ich vermisse eine tatsächliche Stadtkarte und auch der Flur von Rosas Wohnung fehlt mir ein wenig. Zugegeben, letzteres ist kein großer Kritikpunkt, denn immerhin gibt in Blackwell Deception keine Interaktion mit dem Flur. Dennoch habe ich das Gefühl, dass mir hier ein Stück Spielewelt weggenommen wurde.
Gewöhnungsbedürftig zeigte sich auch der leichte Schwenk des Grafikstils im vierten Teil. Lange Zeit konnte ich nicht genau identifizieren, was mich genau daran störte, doch vor allem Rosas neues Outfit und die etwas realistischer, weil detaillierter gehaltenen Portraits waren für mich zunächst ungewöhnlich, auch wenn ich all das am Ende meiner Spielsession bereits wieder akzeptiert habe.
Wieder in Hochform ist die musikalische Unterstützung, die ein weiteres Mal von Thomas Reign beigesteuert wurde. Und vor allem als Fan des zweiten Soundtracks wurde ich nicht enttäuscht. Die im zweiten Teil eingeführten Themen und Melodien werden konsequent weiter genutzt und die vielen Variationen des Hauptthemas – vor allem sei da die modernisierte Fassung im dritten Teil genannt, die einen Kontrast zum Jazz-Thema von Unbound bildet – bieten gleichermaßen ein wohlig bekanntes aber auch gruseliges Stimmungsbild.
Am Ende bleiben also nur zwei Fragen übrig: Wie geht es im letzten Teil der Saga zu Ende und vor allem: Wer ist Tomo?