Blackwell Rückschau: The Blackwell Legacy & Blackwell Unbound

Jetzt ist es schon fast ein halbes Jahr her, dass mit Blackwell Epiphany der fünfte und letzte Teil der Blackwell-Reihe erschienen ist. Höchste Zeit mal in das Point-and-Click-Adventure der Indie-Entwickler von Wadjet Eye zu schauen. Doch zunächst will ich noch unbedingt die anderen Teile noch mal nachholen, immerhin gibt es auch dort noch viel zu entdecken. Fangen wir also mit den ersten beiden Teilen an: The Blackwell Legacy und Blackwell Unbound.
Es ist noch gar nicht lange her, dass ich auf die Blackwell-Spiele aufmerksam wurde. Ende 2012 habe ich die damals vierteilige Serie via GOG.com erworben und nachdem das Spiel, wie bei mir so üblich, erstmal einige Monate auf meiner Festplatte versauerte, habe ich dann irgendwann 2013 tatsächlich angefangen, den ersten Teil zu spielen. Und schon direkt zu Beginn wurde mir klar, dass mir hier etwas Besonderes unter die Finger gekommen ist. Der mystische Soundtrack, die bedrückende Stimmung, die das Großstadtleben bereits in den ersten beiden Szenen perfekt einfing, und eine Protagonistin, die gleichermaßen sozial überfordert wie charmant ist und dabei dennoch einigermaßen selbstsicher rüberkommt. All das war bereits nach 20 Minuten sichtbar.
Man schlüpft in die Rolle von Rosangela Blackwell, die in ihrem einsamen Leben nach dem Ableben ihrer Tante plötzlich Besuch von dem Geist Joey bekommt. Fortan muss Rosa zusammen mit Joey ungeklärte Todesfälle lösen und verwirrte Geister in das Todesreich überführen. Neben den klassischen Point-and-Click-Mechaniken, die sich sowohl bei den Multiple-Choice-Dialogen als auch beim Inventar zeigen, sticht vor allem das Notizbuch heraus. Wichtige Stichpunkte notiert sich Rosangela in ihrem kleinen Büchlein, das aber nicht nur zum Lesen da ist. Soll Rosa im Gedanken Zusammenhänge erkennen, müsst ihr die Stichpunkte im Notizbuch miteinander kombinieren. Dadurch steuert ihr Rosa nicht nur körperlich, sondern auch geistig. Auch wenn es mich in einem bestimmten Fall völlig in eine Ecke gedrängt hat (Stichwort Adrian und Alex), finde ich diese Mechanik überaus ansprechend. Mehr davon! Für mich einer der besten Mechaniken in einem Adventure seit Jahren. (Auch wenn Entwickler Dave Gilbert sagt, er habe dies bei Discworld Noir geklaut.)
So richtig gepackt hat mich Blackwell aber vor allem mit Blackwell Unbound. Anstatt die Geschichte direkt fortzusetzen, darf man dieses Mal mit Rosas Tante Lauren spielen, die in den 1970ern zusammen mit Joey Geister gejagt hat. Und hier traf mich Entwickler Wadjet Eye wirklich mitten ins Herz. Vor allem die jazzig angehauchte Musik von Thomas Reign lässt aus dem verpixelten New York ein Charakter-Krimi sondergleichen werden. Die Geschichte rund um zwei zusammenhängende Tode und eine verrückt gewordene alte Frau packte mich bis zum Schluss und auch Lauren wusste auf ihre eigene Art und Weise zu begeistern: Stark, schnippig und immer eine Zigarette im Mund. Letzteres wird zum Ende hin sogar besonders wichtig und ist nicht nur ein simpler Charakterzug. Darüber hinaus ist es dieses Mal endlich erlaubt, Gegenstände vernünftig zu benutzen und das altmodische Telefonbuch, welches man mit manuellen Eingaben füttern muss, unterstreicht das 1970er-Setting nochmals. Da gerät selbst die neu dazugekommene Möglichkeit, Joey zu steuern, zur Nebensächlichkeit. Schade nur, dass Blackwell Unbound ein gutes Stück kürzer als The Blackwell Legacy wirkt. Vielleicht hatte ich aber auch nur noch mehr Spaß. Sicher ist: Sowohl die erste, aber vor allem auch die zweite Episode habe ich aufgesaugt wie ein Staubsauger.
Dazu beigetragen hat der Charme, den die beiden Episoden stetig verströmen. Jedem Hintergrund und jeder aufgenommenen Zeile Dialog – insbesondere die Zeilen der Sprecher von Joey (Abe Goldfarb), Rosa (Rebecca Whittaker) und Lauren (Dani Marco) – kann man entnehmen, wie viel Mühe und Herzblut in das Projekt geflossen sein muss. All das wär aber nicht viel wert, wenn der Inhalt nicht auch stimmen würde. Insbesondere die Dialoge der durchdachten Geschichte können dabei überzeugen, die ständig zwischen clever-witzig und intelligent-dramatisch hin und her springen und nie den Ton verfehlen. Dass sich das Point-and-Click-Adventure-Genre perfekt für ernsthaftes Storytelling anbietet, wird mit diesen beiden Spielen wieder deutlich. Das zurückgezogene, gemächliche Gameplay passt perfekt in das Setting, ohne aber die dramatischen und spannenden Stellen zu verlangsamen.
Die ersten beiden Blackwell-Teile zeigen aber vor allem eins: Trotz oder gerade wegen des niedrigen Budgets und der rückständigen Technik kann ein Spiel überzeugen, wenn Spielmechaniken, Umsetzung und vor allem die Geschichte und die Charaktere stimmen. Rosa und Lauren sind für mich mit die coolsten weiblichen Charaktere in der Spielehistorie und wirken dabei alles andere als künstlich. Im Grunde könnten die beiden nebenan wohnen. Dann wäre ich jetzt allerdings auf dem Weg nach nebenan und würde sie auf einen Kaffee einladen.
Mal sehen, ob Wadjet Eye Games das hohe Niveau mit Teil drei und vier halten konnte.